Viele Jahre lang bin ich auf den Spuren von Marie Madeleine unterwegs gewesen und erst heute überkommt mich der Wunsch, darüber zu schreiben. Es trug sich zu vor vielen Jahren, da wollte ich nach Rom gehen, nachdem ich schon mal nach Santiago de Compostela mit dem Fahrrad gefahren war. Nicht dass ich katholisch gewesen wäre, aber Rom ist doch nach Santiago der zweite klassische Pilgerort eines gläubigen Menschen, der sich in der Nachfolge Jesu sieht. Ich fuhr damals bis Lausanne und fuhr mit dem Boot nach Montreux, um dort anzufangen zu laufen. Ich lief drei Tage in jenem Oktober; es war noch schön warm tagsüber und ich hatte zeitweise nur ein T-Shirt an. Doch ich war als Pilgerin ganz alleine auf weiter Flur. So alleine sollte ich bis nach Rom wandern?
Nach drei Tagen wurde es plötzlich empindlich kalt, als ich morgens aufstand. Ich hatte zum Glück in weiser Voraussicht eine Mütze, sowie Schal und Handschuhe einstecken und die brauchte ich auch, um mich an die nächste Straßenecke zu stellen und nach Frankreich zu trampen. Nach wenigen Minuten hielt ein Paar an, das nach Lyon fuhr. Hurra, ich war gerettet! Dort war es nämliich schon viel weniger kalt. Von Lyon aus, wo ich drei Tage blieb, versuchte ich dann doch wieder auf den Jakobsweg in Richtung Spanien zu gelangen. Dort waren immer Leute unterwegs. Denn Fahrradfahren konnte ich ganz alleine ohne Probleme, aber sobald ich lief, brauchte ich den Austasuch mit anderen Menschen, zumindest am Abend. So trampte ich weiter und fuhr dann am Abend manchmal noch ein Stück weiter mit dem Zug in die nächste Stadt, in der ich in einer Jugendherberge schlafen konnte. So gelangte ich irgendwann nach St. Jean Pied de Port, da wo der sogenannte französische Weg losging. Doch irgendwie merkte ich, es sollte nicht sein, dass ich jetzt nach Spanien ging. So schloss ich mich einem Deutschen an, der gerade zurücklief. Er hatte auf dem Hinweg nette Leute kennengelenrt, die er gerne besuchen wollte. Ganze drei Tage lief ich mit ihm. An einem der drei Tage übernachteten wir in einer Kirche, weil es zu der Jahreszeit keine Herberge mehr gab, die offen hatte. Wir hatten dort noch einen dritten Pilger getroffen, der von Vezelay aus gekommen war. Er war von diesem Weg begeistert gewesen, da er noch ziemlich ursprünglich war und er viel bei Leuten eingeladen worden war, weil es dort nicht überall Unterkünfte gab. Ich entdeckte damals in diesen Tagen, dass die Mülltonnen der Supermärkte überquollen und dass ich mich davon ernähren konnte. Das kam mir sehr entgegen, denn ich wusste, in wenigen Wochen würde das Einkommen aufhören, das ich bis dahin gehabt hatte. Denn ich wusste, ich würde nicht nach Deutschland zurückkehren.
Danach landete ich in Lourdes, das ich von meinem ersten Jakobsweg auf dem Fahrrad her kannte. Und dort wurde es auf einmal kalt. Genauer gesagt vier Grad. Es war Anfang November. Die Leute dort sagten: „Sie müssen woanders hinfahren. Hier ist nicht die Cote d’azur!“ Ich lernte jemanden mit einem Auto kennen, der mich erst bei ein paar Schwestern unterbrachte und mich dann einlud, mit ihm nach Avignon zu kommen. Ich sagte ja. Und so kam ich nach Avignon, wo ich bei einer seiner Bekannten unterkam. Avignon mochte ich nicht und so versuchte ich fast täglich abzuhauen, aber es gelang mir irgendwie nicht. Mir erzählte dann jemand, er hätte seit er dort ist lauter Unglück. War irgendwie nicht sehr vertrauenserweckend. Auch von anderen Leuten hörte ich später, sie hätten Unglück gehabt, als sie in oder bei Avignon waren, ob per Zug oder mit dem Auto. Ich fragte mich immer, was mit der Stadt ist, was mit ihr war, warum sie einen solch negativen Eindruck auf mich machte, schon seitdem ich das erste mal mit dem Fahrrad dort war. Da hatte ich angesichts der vielen Besucher des Papstpalastes die Flucht ergriffen. Ich stellte innerhalb vieler Jahre der Recherchen fest, was es war, das mich an Avignon so unglaublich störte, dass ich immer weg wollte: es war die schwarze Magie, die in dieser Stadt wohl sehr viel praktiziert wurde. Das ist die Energie von Avignon. Schwarze Magie. Und deshalb machte ich in der Folge immer einen gro0en Bogen um die Stadt.
Umso glücklicher war ich, als ich dann endlich wegkam. Über die Antillen mit Besuch eines Klosters fuhr ich zu einem Konvent von Klosterbrüdern in der Nähe von Arles. Dort war ich auch bei meiner Fahrradpilgertour vorbeigekommen und ich wollte gerne mit dem dortigen Bruder, der deutsch sprach reden. Von dort aus wollte ich nach Saintes Maries de la Mer zu fahren, wo zwei Marien damals nach dem Tod von Jesus angekommen sein sollten. Ich wollte dorthin trampen. Doch dann hielt ein Mann an, der von Emmaus kam. „Wo wollen sie hin?“ fragte er mich. „Nach Saintes Marie de la Mer.“
„Ich fahre nach Marseille. Ich kann sie mitnehmen.“ „Ich wollte zwar in die andere Richtung, aber ich fahre mit“. So kam ich nach Marseille. Was er genau sagte, weiß ich nicht mehr . Aber es war enorm aufbauend. Er fuhr mit mir durch die Stadt und spielte ein wenig den Stadtführer, lud mich in sein Lieblingsrestaurant zum Essen ein und zeigte mir die wunderschönen Calanque, die Felsen am Meer. Ich blieb nur ein paar Tage in Marseille, dann entdeckte ich einen Bus, auf dem Aix-en-Provence stand. In Aix-en-Provence war ich mit siebzehn Jahren einmal auf dem Motorrad durchgefahren und hatte mich sofort Zuhause gefühlt. So stieg ich in den Bus ein. Er brachte mich nach Aix-en-Provence, wo Marie Madeleine zehn Jahre gelebt haben soll…
Hier möchte ich nun einen Text anfügen, den ich aktuell gefunden habe, als ich auf der Suche nach einem Bild von Maria Magdalena war, bevor es ein andermal weitergeht im Text:
Judas und der gute Hirt
(Bildmeditation über ein Säulenkapitell in der Kathedrale Sainte Marie-Madeleine, Vézelay) |
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